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Hebammenkreißsaal

Wir berichten stets über die Entwicklungen in unseren Fachabteilungen. Auf den folgenden Seiten finden Sie ausgewählte Beiträge.
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Hebammenkreißsaal

Seit einigen Jahren gibt es einen Trend zur selbstbestimmten Geburt – mit wenig medizinischen Eingriffen und intensiver Hebammenbegleitung. Genau das wird im Diakonissenkrankenhaus erstmalig geburtshilfliche Realität. Im neuen Hebammenkreißsaal am Diako unterstützen Hebammen Gebärende ohne Risikofaktoren bei einer selbstbestimmten, interventionsarmen Geburt – auf Wunsch ohne Anwesenheit einer Ärzt*in. Im Januar 2024 sollen die ersten hebammengeleiteten Geburten stattfinden. Die Leitende Hebamme Lisa Mühlberg beantwortet rund um das Projekt 12 Fragen:

Warum führt das Diako einen Hebammenkreißsaal ein?

Wir kommen damit zum einen dem Wunsch einiger von uns betreuter Schwangeren nach, die eine hebammenbegleitete Geburt ohne Arztanwesenheit, aber mit der Sicherheit eines klinischen Settings im Hintergrund wünschen. Zum anderen setzen wir das Projekt aus Überzeugung für eine gute Geburtshilfe um. Schlüsselwörter dabei sind Eins-zu-eins-Betreuung, Wahlfreiheit für werdende Eltern, die Förderung natürlicher Geburten und evidenzbasiertes Arbeiten. Das Betreuungskonzept eines Hebammenkreißsaals bietet sowohl für Frauen als auch für das Klinikpersonal viele Vorteile.

Was ist eigentlich ein Hebammenkreißsaal?

Der Hebammenkreißsaal ist ein von Hebammen geleitetes Betreuungsmodell, in dem Hebammen Niedrigrisikogebärende eigenverantwortlich eins zu eins betreuen – vor, während und nach der Geburt. Mit diesem Angebot haben Frauen ohne erhöhtes Risiko die Wahlfreiheit zwischen einem
interdisziplinären Kreißsaal (Hebamme und Ärzt*in) oder einem Hebammenkreißsaal. Der Fokus einer Geburt im Hebammenkreißsaal liegt darauf, eine frauenzentrierte und natürliche Geburtsumgebung zu schaffen.

Für welche Schwangeren ist die hebammengeleitete Geburt geeignet?

Ein festgelegter Kriterienkatalog regelt den Ein- und Ausschluss, sodass lediglich „Low-Risk-Frauen“ selbstständig und eigenverantwortlich durch die Hebammen begleitet werden können. Zwei verpflichtende Vorgespräche etwa in der 30. und 36. Schwangerschaftswoche bauen ein vertrauensvolles
Verhältnis zwischen den Familien und dem Hebammenteam auf. Gleichzeitig wird mehrmals geprüft,
ob einer Geburt im Hebammenkreißsaal irgendetwas im Wege steht. Der Kriterienkatalog orientiert sich am Katalog des Mutterpasses. Unsere Geburtshilfe am Diako konnte individuelle Feinabstimmungen vornehmen. Jedoch geben sowohl der deutsche Hebammenverband als auch der Verbund Hebammenkreißsaal einen Katalog vor, der als maßgebliche Orientierung dient.1

Was macht eine Geburt in unserem Hebammenkreißsaal aus?

Der Fokus liegt auf einer individuellen, selbst- und mitbestimmten Geburt, bei der wir weitgehend auf Interventionen und starke Schmerzmittel verzichten. Stattdessen werden die Frauen in intimer Atmosphäre von mindestens einer Hebamme kontinuierlich begleitet. Zur Geburt sind sogar zwei Hebammen anwesend. Sie unterstützen und ermutigen die Frau einfühlsam, zum Beispiel aus eigener
Kraft zu gebären und auf ihre Geburtskompetenz zu vertrauen. Im Falle einer Geburtsverletzung kann die Hebamme diese versorgen und nähen. Leider ist der Begriff „Hebammenkreißsaal“ bis dato nicht
geschützt. Letztendlich ist es unsere Eigenmotivation, das Konzept bis ins letzte Detail zu leben und den Hebammenkreißsaal in allen Nuancen ernst zu nehmen. Dazu gehört für uns zum Beispiel, dass die Hebammen den kompletten Betreuungsbogen von der Schwangerschaft bis ins Wochenbett
hinein begleiten. Vorgespräche in der Schwangerschaft, das Nähen von Geburtsverletzungen und das
Führen des Abschlussgesprächs im Wochenbett sind für uns ebenfalls Teil dieser Betreuung. In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns von einigen anderen Hebammenkreißsälen in Deutschland.

Wie sicher ist ein Hebammenkreißsaal?

Ein Hebammenkreißsaal ist genauso sicher wie ein herkömmlicher interprofessioneller Kreißsaal. Das
belegen zahlreiche Studien. Im Falle einer Komplikation kann sofort und ohne zeitliche Verzögerung
in die teamgeleitete Betreuung von Hebammen und Mediziner*innen übergeleitet werden. Der Hebammenkreißsaal ist als Betreuungskonzept in die Kreißsaal-Räumlichkeiten integriert. Es findet also in
diesem Moment kein Wechsel des Personals oder des Raums statt. Durch die enge Verzahnung und
die notwendige Abstimmung zwischen hebammengeleiteter Geburtshilfe und Facharztstandard
wird sogar die Versorgungsqualität und damit die Sicherheit gesteigert.

Ersetzt der Hebammenkreißsaal den üblichen interprofessionellen Kreißsaal?

Der Hebammenkreißsaal stellt keine Alternative zum üblichen interprofessionellen Kreißsaal dar. Vielmehr erweitert er das bestehende Betreuungsangebot und bietet gesunden Frauen die Möglichkeit, zwischen beiden Modellen zu wählen. Es ist keinesfalls beabsichtigt, auf den interprofessionellen Kreißsaal zu verzichten. Tatsächlich liegt der Anteil gesunder Schwangerer mit unauffälligem Schwangerschaftsverlauf und Erwartung einer unkomplizierten Geburt in Deutschland bei etwa 20 Prozent.2 Somit wählen nach wie vor 80 bis 90 Prozent der Frauen den interprofessionellen Kreißsaal. Darüber hinaus liegt die Weiterleitungsrate vom Hebammenkreißsaal in den teamgeleiteten Kreißsaal bei 40 bis 50 Prozent. Es wird erwartet, dass letztendlich nur etwa 10 Prozent der angemeldeten Frauen tatsächlich im Hebammenkreißsaal entbinden werden.

Von welchen Überleitungsgründen sprechen wir?

Zu den natürlichen Mitteln gegen Schmerzen gehören Homöopathie, Akupunktur und Aromatherapie.

Es gibt statistisch drei Hauptgründe für eine Überleitung in den interprofessionellen Kreißsaal: eine verzögerte Geburt, Auffälligkeiten im fetalen Herztonmuster und der Wunsch der Gebärenden nach einer spezifischen Schmerzlinderungsmethode wie der Periduralanästhesie.3 Daneben gibt es zahlreiche weitere Kriterien, die im Katalog festgelegt sind und für alle Hebammen verbindlich sind.

Welche Vorteile bietet der Hebammenkreißsaal?

Der Hebammenkreißsaal bietet sowohl für die Familien als auch für das geburtshilfliche Team diverse Vorteile. Frauen, die hier eine Geburt erlebt haben, bewerten ihr subjektives Geburtserleben als positiver. Statistische Auswertungen belegen zudem, dass gegenüber dem interprofessionellen Kreißsaal (IKS) im Hebammenkreißsaal (HKS):– weniger Geburten vaginal-operativ beendet wurden (HKS 6,2 %, IKS: 9,5 %)
– die PDA-Rate niedriger war (HKS: 19,1 %, IKS: 41,2 %)
– weniger Dammschnitte durchgeführt wurden (HKS: 4,3 %, IKS: 7,9 %)4 Geburtshilfliche Teams entwickeln und professionalisieren sich mit diesem Konzept weiter, unter anderem in Bereichen
wie Beratung, Kommunikation, Schnittstellenmanagement, Anwendung von Komplementärmedizin oder Nahttechniken bei Geburtsverletzungen. Wir hoffen, mit unseren Hebammenkreißsaal einen attraktiveren und zukünftig wettbewerbsfähigen Arbeitsplatz für Hebammen zu schaffen, damit sie langfristig Freude an ihrer originären Hebammenarbeit haben.

Welche Nachteile gibt es?

Für die Gebärende gibt es im Hebammenkreißsaal eine begrenzte Anzahl an Schmerzlinderungsoptionen. Obwohl Hebammen verschiedene natürliche Methoden zur Schmerzlinderung anbieten können, wie Entspannungsübungen, Wärme, Massagen, Akupunktur, Aromatherapie und Homöopathie, stehen eine PDA oder andere medikamentöse Opioide nicht zur Verfügung. Zudem bedeutet ein Hebammenkreißsaal
für das Krankenhaus höhere Kosten: Insbesondere der Sach- und Personalbedarf ist höher. Anders als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen gibt es in Sachsen bis jetzt leider keine Fördermittel für die Eröffnung eines Hebammenkreißsaals. Darüber hinaus ist ein höherer Dokumentationsaufwand
notwendig und zusätzliche Zeit, zum Beispiel für mindestens zwei Vorgespräche.

Welche Voraussetzungen gibt es am Diako bereits?

Speziell am Diako waren die Voraussetzungen für dieses Projekt ideal. Wir verzeichnen ungefähr 1100 Geburten pro Jahr und verfügen über eine neonatologische Fachabteilung. Die Rate natürlicher Geburten ist bei uns sehr hoch. Statistisch gesehen finden die meisten Geburten bereits jetzt in aufrechter Gebärposition
statt, und wir haben eine sehr niedrige Rate von Dammschnitten. Das eingespielte Team aus Hebammen
und Ärzt*innen arbeitet bereits seit Jahren auf Augenhöhe zusammen und ist gut aufeinander eingespielt. Diese Basis ist unserer Meinung nach sehr wichtig für die Umsetzung eines solchen Betreuungsangebots. Mit unseren drei Kreißsälen und zwei Vorwehenzimmern sowie einem separaten Wannenraum verfügen wir über ausreichend Platz. Unsere Klinik ist zudem als babyfreundlich zertifiziert und passt daher ideal zu unserem Konzept, da hier die Bindung und Natürlichkeit an erster Stelle stehen.

Welche Veränderungen waren für die Umsetzung des Konzeptes notwendig?

Kreißsaal 1

Ein wesentlicher Aspekt war die personelle Umstellung des Hebammen-Teams von einer 2-2-2-Besetzung auf eine 3-3-3-Besetzung, um eine Eins-zu-eins-Betreuung zu gewährleisten. Vorstellungsgespräche, Hospitationstage und Einarbeitung haben viel Energie und Personalressourcen in Anspruch genommen. Das Hebammen-Team wurde fachlich gefördert, indem langfristige Fortbildungen organisiert wurden. Damit werden wir der erhöhten Verantwortung gerecht. Es gab Fortbildungen zum CTG, zur Komplementärmedizin und verschiedene Nahtkurse durch unseren Chefarzt. Außerdem wurden die Kreißsaalräumlichkeiten renoviert, damit sie noch wohnlicher sind. Organisatorisch war eine enge Abstimmung bei der Entwicklung verschiedener Dokumente erforderlich. Kriterienkataloge, Aufklärungsbögen und Checklisten mussten besprochen und diskutiert werden, um sie später teilweise digital in das Dokumentationsprogramm zu übertragen.

Wie läuft es nach der ersten hebammengeführten Geburt weiter?

Natürlich werden wir während und nach der Implementierungsphase kontinuierlich evaluieren, ob das Konzept des Hebammenkreißsaals unseren Erwartungen und den Bedürfnissen der Schwangeren gerecht wird. Regelmäßige Feedbackgespräche sind vorgesehen, um Optimierungen vorzunehmen und etwaige Anpassungen durchzuführen. Es ist unser Ziel, eine bestmögliche geburtshilfliche Versorgung anzubieten, bei der die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Frauen im Mittelpunkt stehen. Wir freuen uns
auf zahlreiche Vorgespräche und gehen davon aus, dass die ersten Geburten im Hebammenkreißsaal im Januar 2024 stattfinden werden.