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Fallbeispiel Neonatologie

Dr. med. Anna Treptow schildert in vier Fällen die Bemühungen, Möglichkeiten und Grenzen, den bindungs- und stillfreundlichen Ansatz auch in der Neonatologie umzusetzen.
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Fallbeispiel Neonatologie

Dr. med. Anna Treptow schildert in vier Fällen die Bemühungen, Möglichkeiten und Grenzen, den bindungs- und stillfreundlichen Ansatz auch in der Neonatologie umzusetzen.

Mehr als 1.000 Kinder erblicken im Diako jedes Jahr das Licht der Welt – 90 Prozent der gesunden Kinder werden bei der Entlassung voll gestillt. Neben der babyfreundlich zertifizierten Geburtshilfe verfügt das Diako über eine neonatologische Abteilung. Die Mitarbeiter*innen versuchen, auch hier die strengen Kriterien der BABYFREUNDLICH zertifizierten Geburtshilfe umzusetzen.

Dr. med. Anna Treptow arbeitet ist Fachärztin für Kinderheilkunde und Neonatologie und leitet die neonatologische Abteilung im Diakonissenkrankenhaus Dresden
Foto: Sven Claus

Max: Frühgeburt mit respiratorischer Anpassungsstörung

"In der 34+0. Schwangerschaftswoche beginnen bei der Mutter von Max die Wehen. Kaum ist sie im Kreißsaal angekommen, kommt es zum Blasensprung. Die Wehen sind kräftig und die Geburt geht gut voran. Mit den Kinderkrankenschwestern be- spreche ich, ob in der Neonatologie alles vorbereitet ist. Der Inkubator ist wie immer gewärmt und die CPAP-Atemhilfe ist bereit. Wenig später rufen mich die Gynäkolog*innen in den Kreißsaal zur Geburt. Ich nehme eine Kinderkrankenschwester mit in den Erstversorgungsraum. Dort bereiten wir gemeinsam die Erstversorgungseinheit vor. Ich stelle mich anschließend etwas abseits in den Kreißsaal, um auf das Kind zu warten. Kurz nach 10 Uhr kommt der kleine Max auf die Welt. Er schreit leise und wird noch mit der Nabelschnur auf die Brust der Mutter gelegt. Ich trockne ihn ab und lege ein warmes Tuch auf ihn. Eine knappe Minute lassen wir die Nabelschnur noch auspulsieren, dann wird es Zeit abzunabeln, denn Max atmet nur noch unregelmäßig und sehr angestrengt. Gemeinsam mit dem Vater nehmen wir Max mit in den Nachbarraum und unterstützen seine Atmung mit Masken-CPAP. Schwester Maria bringt die Pulsoxymetrie und die EKG-Elektroden an. Am CPAP stabilisiert sich die Atmung, aber sie ist trotzdem immer noch deutlich angestrengt und Max „knorkst“ laut. Daher übernehmen wir Max in die Neonatologie – der Vater ist auch hier mit dabei. Wir wiegen Max bevor wir ihn in den vorbereiteten Inkubator legen und die Atemhilfe anlegen. 2250 Gramm bringt Max schon auf die Waage. Um den Blutzuckerhaushalt stabil zu halten, bekommt Max eine Glucose- infusion. Nachdem die Mutter von den Frauenärzt*innen versorgt worden ist, kommt auch sie wieder mit zu Max, der sich am CPAP gut stabilisiert hat. Mit der Atemhilfe darf er zum Bonding auf die Brust der Mutter. Nach kurzer Zeit macht er sogar ein paar erste Saugversuche an der Brust. Zurück im Inkubator ruht er sich aus und bekommt per Hand gewonnenes Kolostrum mit einer kleinen Spritze in den Mund geträufelt. Schon nach 14 Stunden hat sich die respiratorische Situation so gut gebessert, dass erste CPAP-Pausen gemacht werden können. Die Mutter kann nun immer wieder mit Max kuscheln. In den ersten Tagen wird Max die Nahrung vorwiegend sondiert. Die Flaschengabe versuchen wir zu vermeiden. Immer wieder wird Max an die Mutterbrust angelegt. Das klappt zunehmend besser und die Milch wird, auch dank des zusätzlichen Abpumpens mit der elektrischen Milchpumpe, mehr. Am vierten Lebenstag darf Max ins Wärmebett umziehen und mit zur Mutter ins Zimmer. Langsam nimmt Max an Gewicht zu. Am 12. Lebenstag kann Max mit seinen Eltern nach Hause entlassen werden."

Frau Dr. med Anna Treptow, Fachärztin für Kinderheilkunde und Neonatologie untersucht ein neugeborenes Baby im Diakonissenkrankenhaus.
Foto: Sven Claus

Alma: Neugeboreneninfektion

"Alma wurde vor vier Stunden geboren. Die Pflegekräfte bitten mich, zur U1 als erstes zu ihr zu gehen, denn sie wäre etwas blass und würde auch schneller atmen. Alma wiegt 3.200 Gramm und ist zwei Tage vor dem errechneten Termin auf die Welt gekommen. Sie ist tatsächlich blass und tachypnoeisch. Ich frage die Mutter nach dem Schwangerschaftsverlauf und schaue mir die Geburtsaufzeichnungen an. Der Blasensprung hat bereits 22 Stunden vor der Geburt stattgefunden, eine antibiotische Abschirmung war erfolgt. Der B-Streptokokken-Status der Mutter ist nicht bekannt. Ich erkläre ihr, warum wir bei Alma Blut abnehmen müssen. Während der Blutabnahme lassen wir Alma an dem Finger der Mutter saugen, das stillt den Schmerz beim Stich der Nadel. Alma darf dann an einem mobilen Überwachungsgerät wieder mit in das Zimmer der Mutter. Nach einer Stunde erkläre ich Almas Mutter die deutlich erhöhten Entzündungswerte und wir beginnen mit der intravenösen Antibiose. Da die kleinen Verweilkanülen schnell kaputt gehen, muss kontinuierlich eine kleine Menge an Volumen infundiert werden. Aber nach guter Aufklärung und der Unterstützung beim Handling durch die Pfegekräfte, ist auch das im Rooming-In möglich. Alma kann weiter regelmäßig von ihrer Mutter zum Stillen angelegt werden und schon am nächsten Tag ist sie wieder rosiger und atmet unauffällig. Sie saugt jetzt schon kräftig an der Brust und fordert sich lautstark alle zwei bis drei Stunden ihre Mahlzeiten ein. Nach fünf Tagen kann die Antibiose beendet werden und Alma gesund mit ihren Eltern nach Hause gehen. Eine Trennung von Mutter und Kind konnten wir hier vermeiden."

Im Diakonissenkrankenhaus versuchen wir auch nach einem Kaiserschnitt das Bonding direkt im OP zu ermöglichen.
Foto: Ben Gierig

Sophie: Atemnotsyndrom

"Kurz vor Weihnachten findet eine geplante Sectio statt. Aus medizinischer Indikation findet sie bereits in der 37+0. Schwangerschaftswoche statt. Die Eltern bitten mich, mit Ihrem Kind direkt im OP-Saal bonden zu dürfen. Die Mutter bekommt ein so genanntes Sectio-Top angezogen, in das ihr Baby direkt nach der Entwicklung aus dem Bauch gelegt werden kann, ohne das es noch einmal in den Nachbarraum zur Kinderärzt*in muss.
Ich erkläre den Eltern, dass das kein Problem ist, wenn das Baby von der Gynäkolog*in schon gut abgetrocknet wird, kräftig schreit, einen guten Tonus hat und rasch rosig wird. Allerdings weise ich darauf hin, dass ihr Baby mit 37+0. Schwanger- schaftswoche zwar per Definition kein Frühgeborenes mehr ist, sich aber trotzdem manchmal nicht wie erwartet verhält. Zuvor haben wir gemeinsam mit den Kinderkrankenschwestern die Erstversorgungseinheit wie zu jeder Sectio vorbereitet und eine der Kinderkrankenschwestern steht an der Einheit bereit. Nach der Entwicklung aus dem Bauch wimmert Sophie nur kurz und wird auch durch das Abtrocknen der Gynäkolog*in nicht agiler. Schon von weitem sehe ich, dass der Tonus schlecht ist und das Baby tief zyanotisch. So kann es nur kurz der Mutter gezeigt werden und muss mit zu uns in den Erstversorgungsraum. Der Vater steht besorgt neben uns. Wir versuchen nun schnell Sophie zu stabilisieren. Sie atmet nicht mehr und ihre Herzfrequenz ist deutlich unter 100 Schlägen pro Minute. Ich beginne sofort mit einer Maskenbeatmung. Währenddessen legen die Kinderkrankenschwestern Pulsoxymetrie und EKG-Kabel an. Nach einigen Sekunden steigt die Herzfrequenz an. Intermittierend atmet Sophie nun auch wieder flach mit. Zunehmen wird ihre Atmung zwar regelmäßiger, aber sehr angestrengt. Sie „knorkst“, hat tiefe Einziehungen und wir müssen ihr Sauerstoff geben um den Ziel-Sauerstoff-Sättigungsbereich zu erreichen. Wir übernehmen Sophie in die Neonatologie. Dort atmet sie auch an der CPAP-Atemhilfe weiter tachydyspnoeisch. Sobald die Mutter im OP fertig ist, wird sie im Bett zu uns in die Neonatologie gebracht. Dort kann sie bei Sophie sein und ihre Hand halten. Leider ist Sophie zu krank, um einen Bondingversuch zu starten. Sophie hat eine ausgeprägte respiratorische Azidose und auch nach Optimierung des PEEP bessert sich die Situation nicht. Sie benötigt mit 30 Prozent Sauerstoff angereicherte Atemluft. Das Röntgen des Thorax zeigt keinen Pneumothorax, aber eine sehr inhomogene Belüftung. Die ersten Entzündungswerte sind erhöht und wir beginnen mit der intravenösen Antibiose. Die Mutter gewinnt erstes Kolostrum, dass wir Sophie in den Mund träufeln können. Nach vier Stunden ohne Besserung entscheide ich mich für die Verlegung von Sophie in das Städtische Klinikum Neustadt. Die Mutter kann zusammen mit dem Vater kurze Zeit später auch in das Klinikum verlegt werden. Sophie muss im Verlauf noch intubiert und beatmet werden, verlässt das Krankenhaus jedoch gesund."

Frau Dr. med. Anna Treptow vor einem Inkubatorbett für neugeborene Babys.
Foto: Sven Claus

Paul: Hyperbilirubinämie

"Zur U2 ist Paul gerade erst 50 Stunden alt, aber seiner Mutter geht es schon wieder sehr gut und sie möchte gerne nach Hause gehen, denn dort warten die Geschwister von Paul auf den neuen Bruder. Gleich auf den ersten Blick fällt auf, wie ikterisch Pauls Haut und Skleren sind. Ich lasse die Kinderkrankenschwester einen transkutanen Bilirubin-Check machen. Der Check zeigt mit 250 μmol/l einen erhöhten Wert. Paul wird gewogen und liegt noch im physiologischen Bereich mit einer  Gewichtsabnahme von knapp sieben Prozent. Die Mutter berichtet mir, dass Max zwar zu den Mahlzeiten geweckt werden muss, dann aber gut und ausdauernd trinkt. Mit dem Stoffwechseltest nehmen wir den venösen Bilirubin-Wert von Paul ab. Auch davon läßt sich Paul nicht stören, denn er saugt gierig am Finger der Mutter. Ich erkläre der Mutter die Möglichkeit, dass Paul eventuell eine Fototherapie benötigt. Die Mutter schaut mich besorgt an und fragt, ob sie dann von Paul getrennt sein wird. Ich kann Sie schnell beruhigen, denn auch die Fototherapie können wir im Zimmer der Mutter machen und wenn der Bilirubinwert nicht deutlich zu hoch ist, sind auch Pausen fürs Stillen kein Problem. Paul hat tatsächlich einen fototherapie-pflichtigen Bilirubinwert und er braucht insgesamt 48 Stunden konventionelle Fototherapie. Schon nach 24 Stunden meldet er sich nun aber alleine alle drei Stunden zum Stillen und zur Entlassung hat er schon wieder einen deutlich positiven Gewichtstrend. Zusätzliche Nahrung benötigte er nicht."